Think Tank #6: Kohlenmonoxid – Hyperbare Medizin – Gemeindenotfallsanitäter

Beitragsbild: Gruppenfoto vlnr.: Christoph Redelsteiner (FH St. Pölten), Clemens Kaltenberger (BVRD.at), Stefan Pahler (Druckkammer Traunstein), Klaus Wimmer (Linz AG) und Frank Flake (Rettungsdienst Malteser Oldenburg), Credit: BVRD.at

 

Beim 6. Think Tank des BVRD.at waren wir zu Gast an der FH St. Pölten wo wir neben unseren Mitgliedern auch zahlreiche Studierende des Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege begrüßen durften. Im Zentrum stand der fachliche Austausch mit drei Fachvorträgen aus den Bereichen Sicherheit im Rettungsdienst, Spezialgebiete der Medizin und berufspolitische Entwicklungen.

 

„Kohlenmonoxid – der leise Mörder“

Klaus Wimmer, Einsatzleiter der Linz AG Erdgas

Kohlenmonoxid (CO) ist ein farbloses, geruchloses und geschmackloses Gas, das bei unvollständiger Verbrennung entsteht, aber auch z.B. schlecht gewarteten Heizanlagen, bei der Lagerung von Holzpellets oder fehlender Belüftung. CO ist leichter als Luft und führt bereits in kleinen Mengen zu Vergiftungserscheinungen.

CO bindet 200-300 Mal besser an das Hämoglobin im Blut und blockiert damit die Sauerstoffzufuhr in das Gewebe. Typische Anzeichen einer CO-Vergiftung sind Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Bewusstlosigkeit, Konzentrationsschwächen, Verfärbung der Haut oder Herzrhythmusstörungen. Bei einer Belastung von mehr als 1600 ppm (Parts per Million) führt die Vergiftung beim Menschen innerhalb von zwei Stunden zum Tod.

„Wenn 15 Go-Karts in der Halle im Kreis fahren hat man danach Kopfweh. Das kommt vom Kohlenmonoxid.“

Die Symptome der CO-Vergiftung werden sehr häufig verwechselt mit Infekten, Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder einem Schlaganfall. Auskunft über eine Vergiftung gibt die Umgebung, in der ein Patient vorgefunden wird, andere Beteiligte mit ähnlichen Symptomen oder die Bestimmung des CO-Hämoglobins im Blut. Pulsoximeter geben falsche Werte an.

 

 

Leicht vermeidbare und häufige Ursachen von CO-Vergiftungen sind Heizpilze, Heizkanonen, Grillen sowie Verbrennungsmotoren (Fahrzeuge, Stromaggregat, Kettensägen) oder auch Wasserpfeifen (z.B. in Shisha Bars) in geschlossenen Räumen. Wer in suizidaler Absicht eine CO-vergiftete Atmosphäre aktiv herbeiführt, gefährdet dadurch alle anderen Menschen in massiv, denn CO verteilt sich und geht mitunter auch durch Wände oder findet Wege über Elektroschachte.

 

 

Wirksame Therapien bei einer CO-Vergiftung sind Sauerstofftherapie sowie Überdrucktherapie in einer Druckkammer.

CO-Warngeräte gehören zum Glück bei Rettung und Feuerwehr mittlerweile zur Standardausrüstung. „Auch für zu Hause sollte man unbedingt in einen entsprechenden Warnmelder investieren und ihn im Wohn- oder Schlafraum an der Decke montieren,“ rät der Fachmann.

 


Druckkammer: Hyperbare Medizin abseits von Tauchunfällen

Dr. Stefan Pahler, Facharzt für Anästhesiologie, Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin, Notfallmedizin, Taucherarzt (GTÜM e.V.)

Seit letztem Jahr steht das Druckkammerzentrum in Traunstein (D) mit Dr. Stefan Pahler unter einer neuen Leitung. Der Anästhesist und Taucherarzt sieht vielfältige Anwendungsbereiche der Druckkammer auch abseits von CO-Vergiftungen und Tauchunfällen und wünscht sich, dass Krankenkassen die Kosten hyperbarer Therapien bei gut belegten Indikationen finanzieren.

Grundlage der hyperbaren Medizin sind das Gasgesetz von Henry und das Gesetz von Boyle-Mariotte. In der Medizin macht dies den Oxygenierungseffekt, der physikalisch gesetzmäßig eintritt, gut mess- und berechenbar.

„Ich mache angewandte Physik.“

 

Eine Druckkammerfahrt in einem Standard-Therapieschema findet bei 1,4 bar Überdruck statt und dauert in Summe 135 Minuten. Während der Fahrt bekommen Patientinnen und Patienten über eine Maske reinen Sauerstoff zugeführt. Eine Therapie besteht üblicherweise aus mehreren Sitzungen.

Zu den Effekten einer hyperbaren Sauerstofftherapie gehören eine insgesamt verbesserte Oxygenierung, eine periphere Vasokonstriktion (und damit z.B: Ödemreduktion), eine Zellaktivierung sowie eine direkte Bakterizidie bzw. Toxininaktivierung.

Bereits 1976 wurde in Deutschland ein Amtsblatt der Bundesregierung Indikationen für eine HBO-Therapie festgeschrieben. Einige der damals angeführten Punkte haben sich in der Zwischenzeit als weniger zielführend erwiesen. Generell unterscheidet man seitens der europäischen Gesellschaft für Hyperbarmedizin (ECHM 2016) zwischen dringlichen Empfehlungen (strong recommendation), Empfehlungen (recommendation), möglichen Empfehlungen (optional), nicht akzeptierten Indikationen (not-accepted) und nicht empfohlenen Indikationen (should not be used) mit Evidenzlevel A (hoch) bis D (sehr niedrig).

Zu den Typ1-Indikationen gehören CO-Intoxikation, offene Fraktur mit Crush-Verletzung, Prävention einer Osteradionekrose nach Zahnextraktion, Osteroradionekrose, Weichteilradionekrose, Dekompressionserkrankung, Gasembolie, anaerobe und gemischte bakterielle Infektionen und akuter Hörsturz. Typ2-Indikationen sind das diabetische Fußsyndrom, die Femurkopfnekrose, gefährdete Hauttransplantate oder Muskelhautlappen, Zentralarterienverschluss, bestrahlungsinduzierte Verletzungen von Weichteilgeweben, die präventive Behandlung bei chirurgischen Vorgehen an bestrahltem Gewebe, die ischämische Ulzera, Verbrennungen 2. Grades oder mehr als 20% Körperoberfläche, Neuroblastom Stadium IV. Typ3-Indikationen sind zerebrale Verletzungen, strahlungsinduzierte Verletzungen des Larynx oder zentralen Nervensystems, postvaskuläre Reperfusionssyndrom, Gliedmaßentransplantation, ausgewählte sekundäre, nicht-heilende Wunden bei systemischen Erkrankungen oder interstitielle Zystitis. Keine Empfehlungen gibt es für Plazentainsuffizienz, multiple Sklerose, Zerebralparese oder Tinnitus.

Wie zahlreiche Fallbeispiele eindrucksvoll belegen, bietet die Druckkammer gerade bei PatientInnen mit schlecht heilenden Wunden enorme Verbesserungsmöglichkeiten und könnten bei vielen Erkrankungen zur Standardbehandlung zählen.

 


Gemeindenotfallsanitäter

Frank Flake, Notfallsanitäter, Leiter Rettungsdienst Malteser Hilfsdienst gGmbH Bezirk Oldenburg, Vorsitzender-Stv. des Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e.V. (DBRD)

 

 

Der „Gemeindenotfallsanitäter“ ist ein gemeinsames auf zwei Jahre angelegtes und wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt, das von der Berufsfeuerwehr Oldenburg, dem Rettungsdienst Ammerland, dem Deutschen Roten Kreuz Cloppenburg sowie dem Maltester Hilfsdienst initiiert und von den Krankenkassen finanziert wird.

 

 

Ausgangslage sind eine Reihe von Herausforderungen, die einen kontinuierlichen Anstieg der Einsatzzahlen von ca. 5% pro Jahr im Rettungsdienst nach sich ziehen. Dazu gehören der demografische Wandel, die Umorganisation ärztlicher Bereitschaftsdienste, ein drohender Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich, gestiegene Versorgungsansprüche sowie eine zunehmende Ausdünnung der Kliniklandschaft. Gekoppelt mit der stets prekärer werdenden Situation in den Notfallaufnahmen stellt sich eine einfache Frage: „Warum legen wir PatientInnen in RTWs, fahren sie in überlastete Notaufnahmen wo sie stundenlang auf eine Behandlung warten um dann festzustellen, dass der Transport nicht notwendig war?“.

Die Idee des Gemeindenotfallsanitäters setzt genau an der Schnittstelle zwischen Hausarzt, Pflege und Rettungsdienst an. Die Möglichkeit dazu hat freilich erst das in Deutschland neu eingeführte Berufsbild des Notfallsanitäters gebracht, die mit der österreichischen Qualifikation eines Notfallsanitäters nicht vergleichbar ist.

Gemeindenotfallsanitäter müssen also die dreijährige Berufsausbildung zum Notfallsanitäter in Deutschland absolviert haben, mindestens fünf Jahre Berufserfahrung im Rettungsdienst vorweisen, und älter als 25 Jahre sein. Zusatzqualifikationen wie eine Pflegeausbildung sind erwünscht. Die Ausbildung selbst umfasst zusätzlich ein 12 wöchiges Trainingsprogramm bestehend aus einem Drittel Theorie und zwei Drittel Krankenhauspraktikum inkl. mündlicher, praktischer und schriftlicher Lernzielkontrolle.

Vergleichbare Systeme gibt es in den USA (Community Paramedic) und in Großbritannien (Advanced Care Paramedic). Übergeordnete Instanz ist der zuständige ärztliche Leiter Rettungsdienst. Gemeindenotfallsanitäter arbeiten zudem nach SOPs (Standard Operation Procedures), also Algorithmen, in denen festgelegt ist, was sie dürfen und können gegebenenfalls auf Möglichkeiten der Telemedizin zurückgreifen.

Gemeindenotfallsanitäter können Triagieren, gemeinsam mit den PatientInnen und Patienten eine geeignete Versorgung planen, unnötige Rettungseinsätze abfedern, als First Responder agieren und Notaufnahmen entlasten. Ein eher unerwarteter Nebeneffekt ist zudem, dass dieser spezielle Einsatzbereich das Berufsbild des Notfallsanitäters für viele noch attraktiver macht.

Der Nutzen besteht in einer optimalen Verwendung bestehender Ressourcen des Gesundheitssystems aufgrund einer professionellen Beratung für Betroffene, dem ressourcneschonenden Einsatz von Rettungsmitteln, der Gewährleistung einer koordinierten und integrierten Versorgung durch Ärzte, Krankenhäuser, Pflegedienste, Altenheime und Gesundheitsämter, der Unterstützung der Ressource des Hausärtzlichen Notdienstes sowie einer allgemeinen Kostenminderung im außerklinischen Versorgungssystem. Die GemeindenotfallsanitäterInnen sind alleine per PKW unterwegs, haben erweiterte Kompetenzen zum Beispiel in den Bereichen Blasenkatheterwechsel oder Antibiotikagabe und arbeiten eng mit dem hausärztlichen Vertretungsdienst und Notaufnahmen der Kliniken zusammen.

Gesamt wurden in den ersten vier Monaten 1.161 Einsätze an vier Standorten gefahren (ca. 5-6 Einsätze pro Tag, Tendenz steigend). Ca. 80% der PatientInnen wurden belassen, ca. 20% durch nachgerufene Rettungsmittel in Krankenhäuser oder Primärversorgungszentren verbracht.

Die Zwischenbilanz von Frank Flake fällt durchaus positiv aus und was ihn besonders freut, die eingesetzten Notfallsanitäter sehen es als Aufwertung ihres Berufs und „machen das total gern.“ Bestehende Ressourcen können durch das System besser genutzt werden, Rettungsmittel werden ressourcenschonend eingesetzt und eine kooperative und integrative Versorgung ist gewährleistet. 

 


Christoph Redelsteiner, Notfallsanitäter und Leiter des Masterstudiums Soziale Arbeit an der FH St. Pölten, stellte die von ihm initiierte kombinierte Ausbildungsmöglichkeit von Notfallsanitätsausbildung und Gesundheits- und Krankenpflege vor, die an der FH St. Pölten mit dem akademischen Lehrgang für präklinische Versorgung und Pflege im Zuge des Studiums der Gesundheits- und Krankenpflege angeboten wird.

„Mit dieser vom Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds Nögus geförderten Bildungsmaßnahme ist das Land Niederösterreich Vorreiter für integrierte und kombinierte Ausbildungsmodelle zur Sicherung und Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten insbesondere im Bereich Hauskrankenpflege, Primärversorgung und Rettungsdienst“, erklärt Redelsteiner. Veranstaltungen wie der Think Tank des Bundesverbands Rettungsdienst an der FH St. Pölten dienen dem Austausch und der Vernetzung zwischen Studierenden, Fachkräften und Lehrpersonal.

Über das rege Interesse und die lebhaften Diskussionen freute sich Clemens Kaltenberger, Vizepräsident des BVRD.at und Initiator der Think Tanks: „Es geht uns um den fachlichen Austausch und den Blick über den Tellerrand.“

 


CPR-Challenge

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Bei der CPR-Challenge konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Think Tanks die Qualität ihrer Herzdruckmassage mit einem Feedbacksystem auf den neuen Little Anne QCPR-Trainern von Laerdal unter Beweis stellen und üben. Wir gratulieren dem Gewinner, der mit 99,82% mit nur 0,12% Vorsprung vor der Zweitplazierten die Challenge für sich entscheiden konnte.

 

Die „Think Tanks“ des BVRD.at sind ein Diskussionsformat, bei dem Wissensvermittlung, Meinungsaustausch und Networking im Vordergrund stehen.