PRESSEINFO Dringender Aufholbedarf im Rettungsdienst

Seit vielen Jahren setzt sich der BVRD.at für eine qualitative Weiterentwicklung im Rettungsdienst in Österreich ein, hat hierzulande internationale Kursformate etabliert und in unzähligen Veranstaltungen und Diskussionen auf einen dringenden Handlungsbedarf aufmerksam gemacht. Wir freuen uns, dass diese Anliegen unter Entscheidungsträger:innen immer mehr Gehör finden und dadurch Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt werden.

Um den Anforderungen der gesellschaftlichen, medizinischen und technischen Entwicklungen gerecht zu werden, ist es dringend notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich ein moderner Rettungsdienst mit hoch motivierten und engagierten Sanitäter:innen entfalten kann. Als wesentlicher Hebel dafür gilt die Ausbildung.

Positionspapier „Zukunft Rettungsdienst: Quo vadis, Berufsbild?“

Mit dem Positionspapier (https://www.bvrd.at/positionspapier) hat der BVRD.at 2021 erstmals unter Mitwirkung zahlreicher Sanitäter:innen aus ganz Österreich einen fundierten Problemaufriss in die Debatte eingebracht, Entscheidungsträger:innen und Verantwortliche auf Herausforderungen aufmerksam gemacht und konstruktive Lösungswege aufgezeigt.

In einer aktualisierten Version des Positionspapiers ist der Vorschlag einer 3-stufigen Ausbildung ausgeführt. Er sieht einen organisationsübergreifenden BOS-Basislehrgang von 2 ECTS-Punkten vor, einen niederschwelligen Einstieg für den Krankentransport, First Responder, Ambulanzdienste und assistierende Tätigkeiten im Rettungsdienst mit einer Rettungssanitäter:innen-Ausbildung im Umfang von 15 ECTS-Punkten und einer darauf aufbauenden, klinisch-praktischen, tertiären Ausbildung im Umfang von 180 ECTS-Punkten zum/zur diplomierten Notfallsanitäter:in.

In Österreich fehlt das Berufsbild des Diplomierten Notfallsanitäters

Dieser Anforderung ergibt sich daraus, dass uns ein Berufsbild fehlt: während man in allen Ländern rund um Österreich Rettungsdienstpersonal mit einer 3-4jährigen Ausbildung (oft auf Bachelor-Niveau) findet, endet die höchste gesetzlich vorgesehene Ausbildungsstufe der Notfallsanitäter:innen NKI in Österreich mit 940 Stunden. (Dabei sei nur am Rande erwähnt, dass diese Stufe weniger als 1% aller Sanitäter:innen erreichen, rund 85% sind Rettungssanitäter:innen mit 260 Stunden Ausbildung, die restlichen 14% Notfallsanitäter:innen kommen mit 740-830 Stunden auf knapp ein halbes Jahr Ausbildungszeit).

Die Auswirkungen davon sind gravierend: Notärzt:innen müssen Einsätzen wahrnehmen, für die sie überqualifiziert sind, was sie für echte Notfälle blockiert. Patient:innen werden in Notfallaufnahmen verbracht, auch wenn andere Gesundheitsangebote passender wären.

Notärzt:innen unterstützen das Anliegen einer besseren Ausbildung für Sanitäter:innen

Wichtige Unterstützung für das Anliegen einer verbesserten Ausbildung für Sanitäter:innen kommt von der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und der Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin (AGN). Sie berufen sich auf Studien, dass 50-70% der Notarztalarmierungen nicht indiziert sind.

Was will der BVRD.at mit einer Ausbildungsreform erreichen?

Einerseits soll das Profil für die Tätigkeit von Rettungssanitäter:innen geschärft werden und gleichzeitig attraktive Einsatzgebiete und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Das gilt auch als eine Form der Wertschätzung nicht zuletzt für die zahlreichen Ehrenamtlichen und Zivildiener.

Für zukünftige diplomierte:r Notfallsanitäter:innen sollen sich neben der Notfallrettung auch berufliche Perspektiven in anderen Bereichen eröffnen, etwa als Mitarbeiter:innen in Notfallaufnahmen in Spitälern, in Primärversorgungszentren, als Betriebssanitäter:innen, oder Gemeindenotfallsanitäter:innen. Damit bleibt ihre Qualifikationen und ihr Erfahrungsschatz für das Gesundheitssystem erhalten und wirkt hier einem Fachkräftemangel entgegen.

Eine Ausbildungsreform soll zudem auf allen Ebenen den Umstieg in andere Gesundheitsberufe wesentlich erleichtert, für die ohnedies dringend Personal gesucht wird. All das dient keinem Selbstzweck, sondern stellt konsequent das Wohl und die Bedürfnisse der Österreichischen Bevölkerung in den Mittelpunkt, die von einer qualitativ hochwertigen Ausbildung der Sanitäter:innen profitieren.

Kernforderungen des BVRD.at

  • Umfassende Ausbildungsreform mit Durchlässigkeiten in andere Gesundheitsberufe samt Schaffung eines neuen Berufsbilds des/der diplomierten Notfallsanitäter:in mit einer dreijährigen Ausbildung (180 ECTS). Der Zugang zu dieser Ausbildung muss auch ohne Matura gewährleistet sein
  • Flächendeckende, bundeseinheitliche Versorgungsstandards samt Monitoring und Qualitätssicherungssystem für den Rettungsdienst in Österreich
  • Forschung in den Bereichen Versorgung, Qualität und Weiterentwicklung im Rettungsdienst (Rettungswissenschaften)

 

Der BVRD.at spricht sich ausdrücklich für die Beibehaltung der Freiwilligkeit im Rettungsdienst aus. Alle unsere Umfragen belegen, dass sich sowohl freiwillige als auch berufliche Mitarbeiter:innen eine Verbesserung der Ausbildungssituation wünschen. Es gibt auch deutliche Hinweise darauf, dass sich dadurch die Verbleibdauer im Rettungsdienst verlängern würde. Auch die Beibehaltung eines Notarztgestützen Rettungssystem steht für den BVRD.at außer Frage.

Weiterführende Links

Positionspapier des BVRD.at: https://www.bvrd.at/positionspapier_v2/

Positionspapier der ÖGARI: https://www.oegari.at/arbeitsgruppen/sektion-notfallmedizin/10613

Gemeinsame Presseunterlage BVRD.at und ÖGARI: https://www.bvrd.at/pressekonferenz-rettungsdienst-mit-zukunft-allianz-fuer-eine-grundlegende-reform-des-sanitaetergesetzes/

Initiative Zukunft Rettungsdienst: https://www.zukunft-rettungsdienst.at

Zitate

„Zur Sicherstellung eines hochwertigen Rettungsdienstes in Österreich benötigen wir dringend und rasch eine grundlegende Reform des Sanitätergesetzes.“

„Es ist an der Zeit, das Tätigkeitsspektrum der Sanitäter:innen an die gestiegenen medizinischen Anforderungen anzupassen und die Ausbildung an internationale Standards anzugleichen. Nur so können wir auch in Zukunft eine optimale Versorgung im Notfall gewährleisten.“

„Wir müssen den Mut haben, das Berufsbild des Sanitäters völlig neu zu denken und uns vom Transportdienstleister hin zu einem gehobenen Gesundheitsberuf weiterentwickeln.“

„Uns geht es um die Aufwertung der Sanitäter:innen in allen Bereichen. Wir bekommen einzigartige Einblicke – von den Lebensbereichen der Menschen bis hin zu unterschiedlichsten Gesundheits- und Betreuungssituationen – und können mit der entsprechenden Ausbildung viel mehr zur Gesundheit der Menschen beitragen, als uns aktuell zugetraut wird. Im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft ist es dringend notwendig, dieses Know-how zu nutzen und dieses enorme Potenzial zu heben.“

Überraschende Fakten zum Rettungsdienst in Österreich

  • Rettungssanitäter:innen haben mit 260 Stunden Ausbildung eine mit deutlichem Abstand geringer Ausbildungszeit als sämtliche medizinischen Assistenzberufe (Gipsassistenz 1.100 Stunden, Ordinationsassistenz 1.140 Stunden, Obduktionsassistenz 660 Stunden); Notfallsanitäter:innen erreichen mit einem halben bis maximal einem Jahr Ausbildungszeit nicht annähernd das Ausbildungsniveau der Pflegeassistenz (1 Jahr), ganz abgesehen von Gesundheitsberufen wie Gesundheits- und Krankenpflege, Diätologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logotherapie (3 Jahre mit Bachelorabschluss).
  • Sanitäter:innen können sich nicht im Gesundheitsberuferegister registrieren.
  • Der Sanitäter:innen-Beruf ist eine Sackgasse. Wer in einen anderen Gesundheitsberuf wechseln möchte, beginnt bei null; oftmals wird nicht einmal ein Erste-Hilfe-Kurs angerechnet.
  • Es gibt österreichweit keine einheitliche Definition davon, was ein Notfallpatient ist.
  • Es gibt keine österreichweit geltenden Qualitätsstandards für den Rettungsdienst; auch in vielen Bundesländern fehlen entsprechende Vorgaben.
  • Tirol ist das einzige Bundesland mit einer von den Rettungsdienst-Anbietern unabhängigen Qualitätssicherungsstelle, dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst.
  • Es gibt keinen österreichweiten Reanimationsregister, d.h. wir wissen nicht, wie hoch die Überlebensraten bei einem akuten Herzstillstand sind.
  • Im österreichischen Rettungsdienst sind mehr Zivildiener und FSJ-Praktikantinnen, als hauptberufliche Sanitäter:innen tätig.
  • Wir bilden in Österreich jährlich etwa 10.000 Sanitäter:innen aus. Rechnerisch wird damit alle 3-5 Jahre das gesamte Rettungsdienstpersonal ausgetauscht.
  • Pro 100.000 Einwohner:innen befördern wir im österreichischen Rettungsdienst im Durchschnitt jedes Jahr 47.953 Personen, also beinahe jede:n Zweite:n. Das ist mehr als dreimal so viel wie in Bayern und achtmal mehr als in der Schweiz.
  • Die Verrechnung der Kosten ist über Österreich hinweg sehr unterschiedlich. Eine Fahrt mit der Rettung kommt Gesundheitskassen oft billiger als ein Taxi.

 

Über den BVRD.at

Der Bundesverband Rettungsdienst (BVRD.at) ist ein gemeinnütziger Verein und versteht sich als organisationsübergreifende Plattform und Fachvertretung für alle im Rettungsdienst tätigen Personengruppen. Als Interessensvertretung für Sanitäterinnen und Sanitäter setzt er sich mit Aktivitäten zur fachlichen Förderung und organisationsübergreifenden Vernetzung für die Weiterentwicklung und Anliegen eines modernen, patientenorientierten und qualitativ hochwertigen Rettungsdienstes in Österreich ein. Mit dem Camillo Award verleiht er jedes Jahr all jenen herausragenden und engagierten Sanitäter:innen in Österreich Sichtbarkeit, die qualitativ zur Weiterentwicklung im Rettungsdienst beitragen.

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